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Verändert Fanfiction unsere Wahrnehmung?

04/05/2019

Hallöchen, ihr Lieben.

Heute möchte ich mich mal mit etwas beschäftigen, das mich schon seit Jahren begleitet: Fanfiction. Ich habe mit dem Lesen und Schreiben von Fanfictions begonnen, als ich 12 oder 13 war und seitdem hat es mich nie wirklich losgelassen. Je mehr ich schreibe und lese, desto mehr fällt mir auch auf, dass sich meine Persepktive auf Geschichten verändert. Ich werde das alles am Beispiel von Harry Potter erläutern, weil ich da einfach drin bin und mir anhand davon einige Dinge aufgefallen sind. Das ganze wird auch eine kleine persönliche Reise durch mehrere Jahre Fandom-Kultur.

Doch zuerst einmal, was ist eigentlich Fanfiction?

Fanfiction (Fanfic / FF) bezeichnet Geschichten, die von Fans über die Welt oder Charaktere eines existierenden Werkes geschrieben werden. Dabei werden einzelne Aspekte herausgegriffen und nach eigenen Vorstellungen geformt und verändert. Das können Filme, Bücher, Serien, Spiele, etc. sein. Aber es gibt auch Fanfictions über real existierende Personen, wie Schauspieler oder Sänger. Wenn man beispielsweise mit dem Ende eines Buches nicht zufrieden war, kann man dieses nach Belieben umschreiben. Oder Charakter A ist in einer Beziehung mit Charakter C, anstatt Charakter B. Die Möglichkeiten sind grenzenlos. Aber bevor ich richtig beginne, hier noch ein paar Begriffserklärungen:

  • Fandom = Fangemeinde von einer bestimmten Sache
  • Ship = eine Beziehung zwischen 2 Charakteren. “I ship them” = Ich will unbedingt, dass die zusammenkommen oder finde, dass sie zusammengehören! Daraus resultiert das OTP = One true pairing. Das ist das Ship, das man am liebsten mag, praktisch das Ship der Ships.
  • canon = offziell im Werk vorkommende Fakten

Aber was ist denn jetzt eigentlich mit der Wahrnehmungsveränderung?

Ich lese und schreibe wie gesagt gerne Fanfiction, vor allem im Harry Potter Universum. Dabei ist mir klar geworden, dass sich manche Charaktere für mich komplett verändert haben. Nehmen wir zum Beispiel Draco Malfoy. In den Büchern ist er unausstehlich und beim Lesen konnte ich ihn absolut nicht leiden. Und dann kamen Fanfictions. In so vielen wird sein Verhalten romantisiert, er bekommt einen anderen, tieferen Hintergrund und plötzlich erscheint er gar nicht mehr so schlimm. Ganz im Gegenteil. Er ist hier der absolute Traumtyp, kalt, gutaussehend, gut im Bett und immer ein neues Mädchen an der Angel, aber auf der anderen Seite ist er einfühlsam, stark und liebevoll. Eigentlich der typische Bad Boy wie man ihn aus einem Roman kennt. Im Fandom wird Draco gefeiert, er ist einer der beliebtesten Charaktere über die Fanfiction geschrieben wird.
Doch vergleicht man Fanfic-Draco mit Buch-Draco gibt es da bis auf das Aussehen eigentlich nicht viele Gemeinsamkeiten. Denn wo Draco in den Fanfictions doch meistens einen traurigen, gefühlvollen Hintergrund hat, ist dieser in den Büchern eigentlich gar nicht vorhanden. Vermutlich hat auch Tom Felton, der in den Filmen Draco Malfoy spielt, viel zu dem Fan-Hype beigetragen.
Obwohl ich weiß, dass der Draco der Bücher nicht der der Fanfictions ist, fällt es mir doch teilweise sehr schwer, die beiden voneinander zu trennen. Selbst wenn ich die Bücher lese und Draco mal wieder absolut furchtbar ist, ist da dann immer Fanfic-Draco in meinem Hinterkopf und verändert die Person vor mir ins Positive.

Was für Draco gilt, gilt eigentlich für sämtliche Slytherins, die in der Buchreihe vorkommen. Denn ganz ehrlich? In den Büchern sind sie einfach furchtbare Charaktere, denen man in der Realität lieber nicht begegnen möchte. Und auch wenn sie im canon eigentlich keine große Rolle spielen, haben sie in der Fankultur eine ziemlich wichtige Position. Wie Draco sind sie alle diese Bad Boys, die zu den begehrtesten Typen von Hogwarts gehören. Durch Fanfictions bekommen sie plötzlich einen Hintergrund und ein Gesicht, sind nicht mehr die oft als hässlich beschriebenen Arschlöcher (sorry), sondern gut aussehende und das ändert dann alles. Ich muss leider zugeben, dass ich keine Ausnahme bin und Geschichten mit ihnen besonders gern lese.

Wenn ich dann die Bücher lese oder die Filme schaue, fällt mir dann ihre unwichtige Rolle wieder auf. Doch durch die Fanfictions habe ich mir ein anderes, verfälschstes Bild von ihnen gemacht, das ich einfach nicht mehr wirklich los werde.

Bei fiktiven Werken ist das prinzipiell nicht unbedingt immer eine schlechte Sache. Man muss sich aber bewusst sein, dass hier Dinge wie Mobbing glorifiziert werden können und teilweise in eine gute Sache umgewandelt werden. Es gibt da eine Sache, die ich einfach schlimm finde: Mobben einer Person, um die wahren Gefühle (der Liebe) zu verbergen. Nein, einfach nein. Aber leider lese ich genau das so oft. Nicht nur Mobbing, auch ungesunde und problematische Beziehungen werden sehr oft romantisiert. Ich kann in meinem Alter ganz gut reflektieren und solche Dinge erkennen, aber vor allem jüngere Leser und Leserinnen könnten damit vielleicht Probleme haben. Das ist übrigens eine Sache, die nicht nur bei Fanfictions gültig ist, sondern für sämtliche Werke, egal ob das nun Bücher oder Filme oder etwas anderes sind.

Es gibt dann aber auch noch Fanfictions über reale Personen. Die finde ich ehrlich gesagt allgemein problematisch. Denn man schreibt da über Menschen, die es tatsächlich gibt und man bildet sich ein Idealbild von ihnen. Doch dieses Idealbild ist in den allerseltensten Fällen die Wirklichkeit. Diese Menschen werden so verändert und verbogen, wie die Fans es gerne hätten, doch die Berühmtheiten möchten und können so nicht sein. Man kennt diese Personen nicht, stellt sie sich anders vor, als sie möglicherweise sind. Eigene Wünsche und Fantasien von diesen Menschen werden in den Geschichten auf sie projiziert und irgendwie ja auch ihre Privatsphäre verletzt. Ich will doch auch nicht, dass irgendwelche anderen mir unbekannten Menschen Geschichten über mich schreiben, in denen sie mich auf bestimmte Art und Weise darstellen und ich vielleicht ganz anders bin und auch nicht anders präsentiert werden möchte.

Im Endeffekt will ich damit vor allem sagen, dass Fanfiction eine schöne Sache ist, um fikitive Werke umzugestalten, sich kreativ auszuleben und die eigenen Hoffnungen und Wünsche innerhalb eines Fandoms beschreibt. Allerdings sollte man sich der Problematiken immer bewusst sein und nicht alles so hinnehmen, wie es kommt.


Wie seht ihr das? Lest ihr Fanfictions? Schreibt ihr Fanfictions?


Bis zum nächsten Mal,

  1. Volle Zustimmung. Ich selber lese (inzwischen) wenig FFs, aber bei anderen Menschen fällt mir die veränderte Wahrnehmung sehr auf, insbesondere eine Verniedlichung oder Glorifizierung der eigenen Lieblingscharaktere. Das ist bestenfalls nervig (in vielen Fandoms findet man gar nichts anderes mehr, hab auch deswegen meinen FF Konsum reduziert), oft aber eben auch wie du schreibst gefährlich. Toller Post!

    1. Ja, das ist mir auch aufgefallen. Ich lese sehr gerne Fanfictions, aber es wird immer schwerer, irgendetwas gutes zu finden…
      Danke!! 🙂
      Liebe Grüße
      Kat

  2. Hallo Kat,
    Ein sehr spannender Beitrag! Ich habe vom Alter von 12/13 Jahren an auch zu den FF-Lesern und -Schreibern gehört, darunter auch Harry Potter unter anderem. Und ich kann deine Ansichten voll bestätigen, ich habe auch eine andere Wahrnehmung von einigen Charakteren bekommen, gerade von den Antagonisten.
    FFs zu realen Personen empfinde ich auch als sehr problematisch und konnte mich nie überwinden diese zu lesen oder zu schreiben. Ich habe mir dann immer vorgestellt wie es für diese Leute sein muss solche Geschichten zu lesen.
    Ich hatte auch die Beobachtung gemacht, dass gerade bei Fanfiction, aber auch bei vielen richtigen Büchern missbrauchende, kontrollierende und einfach schlechte Beziehungen romantisiert werden. Nach dem Motto der arme Bad Boy darf ruhig mal das Mädchen schlagen und sie betrügen, er hatte ja eine schwere Kindheit und am Ende küsst er sie auch wieder. Finde ich mittlerweile echt abstoßend und auch gefährlich für junge Leser, da so ein komplett falsches Beziehungsbild vermittelt wird.
    Seit ich 16 Jahre alt bin, schreibe ich vor allem eigene Geschichten/Bücher und keine Fanfiction mehr. 😀 Aber ich fand durch meine Fanfiction-Jahre konnte ich das Schreiben ziemlich gut lernen und auch sehr viel Weiteres was zum Autorenleben dazugehört. Fanfiction lese tue ich gelegentlich noch (so eine guilty pleasure von mir), aber inzwischen auch sehr selten.
    Liebe Grüße, Aurora

    1. Huhu 🙂
      In dem Alter, in dem wir beide begonnen haben, FF zu lesen und zu schreiben hat man irgendwie auch einfach einen anderen Blickwinkel. Das Problematische fällt nicht wirklich auf und man nimmt es einfach so hin. Aber je älter man wird, desto mehr achtet man darauf, was man da eigentlich liest. Und gerade die Romantisierung der Antagonisten, beziehungsweise Romantisierung von Gewalt/Mobbing/Stalking/Missbrauch/etc. stößt mir da ziemlich bitter auf.
      Allerdings muss ich zugeben, dass ich viele böse und “böse” Charaktere einfach sehr gerne mag. Nur bin ich mit 22 in der Lage zu differenzieren und das Verhalten nicht als super cool anzusehen. Ich weiß, dass das Verhalten Mist ist, aber trotzdem mag ich die Charaktere. Nicht nur bei Fanfictions, sondern auch im canon.
      Und was reale Personen angeht… ich finde es immer furchtbar, wenn Stars von Fans oder ModeratorInnen auf diese oder jene Fanfiction angesprochen werden. Das muss so verdammt unangenehm sein.
      Aber es ist toll, dass du durch die Fanfictions zu den eigenen Geschichten gekommen bist und dazu gelernt hast 🙂

      Liebe Grüße
      Kat

  3. Hallo Kat,

    Ich hab vor Ewigkeiten auch sehr viele Fanfiktions gelesen. Etwa zwischen 2006 und 2013. Da war wohl meine Hochphase. Seit ich im Buchhandel arbeite dann aber nicht mehr.
    Harry Potter waren auch meine Lieblingsffs und sie haben mir sehr viel Freude bei Warten auf das letzte Buch bereitet, erinnere mich also auch gerne daran zurück. Mittlerweile bleibt mir dafür aber leider keine Zeit mehr.

    Liebe Grüße
    Chrissi

    1. Hallöchen 🙂
      Ich habe leider auch nicht mehr so viel Zeit dazu. Aber irgendwie bin ich bei Harry Potter-FFs einfach hängengeblieben und manchmal packt es mich so richtig 😀
      Gerade wenn man auf neue Bände wartet, sind Fanfictions wirklich immer klasse 🙂
      Liebe Grüße
      Kat 🙂

  4. Hallo Kat,

    ein toller Beitrag!
    Ehrlich gesagt tue ich mich mit Fanctions immer so ein bisschen schwer, da ich nie selbst welche gelesen oder geschrieben habe. Beim Lesen deines Posts ist mir bewusst geworden, dass das vielleicht auch der Grund ist, warum ich dem Fangirling und der Romantisierung von Draco so verständnislos gegenüberstehe. xD
    Ich habe letztens erst mit anderen Buchmenschen über das Phänomen gesprochen – und auch über gefährliche Tendenzen wie Romantisierung falscher Themen (z.B. auch SVV, Suizid oder eben Mobbing, und dann teilweise mit der Ursprungs- und Zielgruppe 13/14-jähriger Mädchen) oder eben Fanfictions zu realen Personen, was ich echt ein bisschen gruselig finde. Natürlich kann man da nicht alles über einen Kamm scheren und an sich ist es super, dass Fanfictions so viele zum Schreiben bringen. ^^

    Liebe Grüße
    Dana

    1. Huhu 🙂
      es ist mit Fanfictions eben wie mit vielen anderen Dingen auch: es gibt eine helle und eine dunkle Seite. Es gibt da wirklich gute Geschichten, die wudnerbar geschrieben sind und eigentlich auch als Buch funktionieren würden. Viele wollen ja wirklich nur geliebte Geschichten fortführen oder zu einem besseren Ende bringen.
      Aber gerade bei deinem zweiten Abschnitt stimme ich dir, bzw. euch, vollkommen zu. Mit 12/13/14 kann man das Gelesene vielleicht noch nicht so gut einschätzen, und ich denke das ist das, was es dann so gefährlich macht. Man ist sich über die Konsequenzen/Gründe von schwierigeren Themen noch nicht so bewusst und übernimmt einfach die Meinung von anderen.
      Aber solange man da vorsichtig ist und vor allem auch Fiktion von Realität unterscheiden kann, geht es noch.

      Alles Liebe
      Kat

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